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DVD mit Aufzeichnung und Impressionen

Stadt Sindelfingen 2015

 

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Wir schreiben das Jahr 1146. In Europa laufen die Vorbereitungen für den zweiten Kreuzzug. In Sindelfingen, damals noch keine Stadt sondern nur ein kleine Siedlung, ist von der Unruhe im Gefüge der großen Politik wenig zu spüren. Hier ist das Leben hart, aber einfach. Alles geht seinen Gang. Einzig das Chorherrenstift verbindet das Dorf mit der weiten Welt. Doch die Chorherren bleiben meist unter sich, die Kontakte zu den einfachen Bauern und Händlern sind gering.

Das ändert sich, als sich Sindhold, einer der Chorherren, in eine junge Frau aus dem Dorf verguckt. Er möchte sie heiraten. Eine Vermischung zweier Welten, die bei Bauern wie Chorherren für Unverständnis sorgt. Erste Intrigen werden gesponnen…

Ein junger Prediger bringt von einer Reise nach Frankreich die neueste theologische Idee mit: Begeistert von Bernhard von Clairvaux’ Aufruf zur Gewaltmission gegen die Heiden wirbt er auch in der Heimat für den Kreuzzug nach Palästina, was angeblich dem Willen Gottes entspricht. Der Prediger sammelt Geld und begeistert auch den Landesherrn Welf VI., dem das Leben in der Provinz zum Hals heraushängt, für die religiös motivierte Kampfhandlung.

Auf einmal konzentrieren sich mehrere Kraftlinien der aktuellen Politik im abgelegenen Sindelfingen. Ein arabischer Gelehrter und ein jüdischer Händler, deren Wege sich im Dorf kreuzen, geraten in die aufgeheizte Stimmung hinein. Und Sindhold, der eigentlich nur seine junge Geliebte im Kopf hat, fällt es immer schwerer, sich weiter gegen die Stimme des Gewissens zu verschliessen, die zu ihm spricht. Doch als er versucht, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen und eine Entscheidung zu treffen, die er vor sich selbst verantworten kann, findet sich Sindhold mit einem Mal selbst auf der Anklagebank wieder…

Der Herr, der mit seinen teuflischen Widersachern eine Wette über Sindholds Rechtschaffenheit abgeschlossen hat, bekommt es mit der Angst zu tun. Ist es überhaupt möglich, ein guter Mensch zu sein – in einer Welt, in der Eigennutz und religiöser Fanatismus regieren?

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Magische Momente im Mittelalter

 Von Gerlinde Wicke-Naber – Stuttgarter Zeitung
 
Sindelfingen – Es ist die Mischung aus perfekter Open-Air-Kulisse, historischen Kostümen und ausgeklügelter Lichttechnik, die dem „Sindelfinger Jedermann“ eine ganz spezielle Aura verleiht. Wie die Gemälde alter Meister wirken viele Szenen vor der romanischen Martinskirche, wo das Stück am Freitagabend uraufgeführt wurde. Und diese magischen Bilder, die das Mittelalter lebendig werden lassen, bleiben dem Zuschauer noch lange im Kopf. Der Berliner Dramaturg Kai O. Schubert hat das Stück, eng angelehnt an die Stadtgeschichte, speziell für die Sindelfinger geschrieben. Verortet hat der Autor die Story im Jahr 1146 im damaligen Zentrum Sindelfingens – am Chorherrenstift. Da kommt natürlich auch die Theologie nicht zu kurz: Gott persönlich tritt auf und hat gleich drei teuflische Gegenspieler. Die Parteien schließen eine Wette ab: Schafft es der Chorherr Sindhold, sich aus der gewohnten Unterwerfung unter die Obrigkeit zu lösen und seinem eigenen Gewissen zu folgen? 80 Mitwirkende, darunter viele Laien und Kinder, stehen unter der Regie von Frank Martin Widmaier auf und hinter der Bühne. Der alle überragende Darsteller ist der 19 Jahre alte Daniel Dietrich. Er ruft als fanatischer Priester Gerard so überzeugend zum Kreuzzug gegen alle Andersdenkenden auf, dass es vielen Zuschauern eiskalt über den Rücken lief. Verbesserungswürdig ist allerdings noch die Tontechnik, die bei der Premiere etliche Störungen verursachte. Das Publikum – 340 Zuschauer verfolgten bei bestem Sommerwetter das Spektakel – war trotzdem begeistert. Bis zum 2. August gibt es insgesamt zwölf Vorstellungen, freitags und samstags um 21 Uhr, sonntags beginnt die Aufführung um 18 Uhr. Karten können beim I-Punkt am Sindelfinger Marktplatz bestellt werden (0 70 31/9 43 25). (wi) Foto: factum/Granville